Die verlorene Seele von Pink Floyd (2024)

Nach einer Überdosis LSD landete der Pink-Floyd-Gitarrist Syd Barrett in der Psychiatrie. Michele Mari hat ihm nun einen leidenschaftlichen Roman gewidmet.

Von Christina Rietz

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Die verlorene Seele von Pink Floyd (1)

Viele Bands hatten ihren Toten, Pink Floyd hatte den Verrückten, der sich allerdings wie ein Toter benahm, in einem Keller in Cambridge hausend, jahrzehntelang: Roger Barrett, genannt Syd. Das Schicksal des schönen schizophrenen Jünglings, der sich mit einer Überdosis LSD aus dem frühen Ruhm in die Psychose schoss, ist seit 1968 bekannt und erforscht. Die Floyds ersetzten Barrett durch dessen Kumpel, den Gitarristen David Gilmour. Barrett vegetierte im Keller, Pink Floyd wurde berühmt, vor allem auch mit Liedern, die sich um Syd Barretts Wahn drehten: Brain Damage , Shine On You Crazy Diamond , Wish You Were Here , Comfortably Numb , um nur die bekanntesten zu erwähnen.

Jetzt, im Frühling 2011 – Syd Barrett ist tot, Rick Wright ist tot, David Gilmour ist dick, Nick Mason sammelt Sportwagen, Roger Waters tourt zum 180. Mal mit The Wall um die Welt – präsentiert der italienische Autor und Literaturwissenschaftler Michele Mari einen Syd-Barrett-Roman. Rosa Umschlag, erschienen in der Edition Elke Heidenreich bei Bertelsmann.

Oha, denkt man, braucht die Musikliteratur das noch? "Aus der Antike kennen wir zahlreiche aufregende Geschichten über Besessenheit: Sie erzählen uns jedoch nicht, was von dem Besessenen übrig bleibt, nachdem Gott wieder weg ist…" Diesen Satz auf Seite 297 hätte Mari seinem Buch auch als Motto voranstellen können. Denn nichts anderes versucht er in Mr. Pink Floyd : in Barretts Besessenheit zu kriechen. Mari tut das nicht selbst in einem Fließtext, sondern lässt zahlreiche Zeugen sprechen – Bandmitglieder, Roadies, Verwandte, entfernte Verwandte, Manager, Regisseure, Figuren aus Barretts Songs. Auch Tote kommen zu Wort, etwa Stanley Kubrick und Michelangelo Antonioni. Dabei macht der Autor nicht klar, was Recherche und was Fiktion ist, vielmehr wird beides in den sogenannten Zeugenaussagen verwoben.

Die Art und Weise der Zusammenstellung, ihr Detailreichtum, verrät des Autors eigene Besessenheit mit dieser Band. So erfahren wir beispielsweise, dass der Name des ersten und letzten Albums unter Barretts Führung, The Piper at the Gates of Dawn , eigentlich der Titel eines Kinderbuchs ist, das der kleine Syd geliebt hat. Und dass der Autor dieses Kinderbuchs einen schieläugigen Sohn hatte, der sich wiederum von einem Zug enthaupten ließ. Und das hat alles natürlich auf geheimnisvolle Weise mit Barretts Schicksal zu tun! Den nannten seine Bandmitglieder in Shine On You Crazy Diamond schließlich "piper". Während der Aufnahme genau dieses Liedes tauchte der Nämliche dann in den Abbey Road Studios auf und wurde von seinen Freunden nicht einmal erkannt – wegen der Glatze und den abrasierten Augenbrauen.

Nach Maris kompilierten Zeugenaussagen zu urteilen, finden sich in Pink Floyds Werk nicht nur diese bekannten Hinweise auf den ehemaligen Spiritus Rector. Nein, das ganze spätere Werk sei eine schlecht verfremdete Obsession. Die zahllosen Songs, die Roger Waters seinem im Krieg gefallenen Vater widmete: Eigentlich gelten sie Barrett. Waters' angeblich so tyrannische Mutter, von der auf The Wall die Rede ist? War eigentlich Barretts Mutter. Der sadomasoch*stische Lehrer, um den es auf dem gleichen Album ging? Nachforschungen haben ergeben, dass Syd einen solchen Lehrer hatte.

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Für Fans ist das sicher aufschlussreich. Aber was bedeuten diese Koinzidenzen aus der Fernsicht? Dass der ganze Erfolg dieses Platin-Monsters Pink Floyd auf dem Märtyrertum ihres einstigen Erfinders beruht. Stuart Sutcliffe, Brian Jones, Keith Moon, sie alle hatten sterben dürfen, nur Syd Barrett lebte noch, irgendwie, und seine Band arbeitete sich echt freudianisch an seiner Existenz ab, wand sich in Selbstvorwürfen. Und als sie sich am Ende ganz trennten, da fochten (laut Mari) Waters und Gilmour auf ihren Tourneen Kämpfe darüber aus, wer barrettianischer war. Dazu lässt sich sagen: Gilmour hat Barrett das Gitarrespielen beigebracht und Waters ist auch ein bisschen verrückt geworden.

Was Mari zum Schreibzeitpunkt nicht wissen konnte: Kürzlich trat Gilmour als Gastgitarrist auf Waters' The-Wall -Konzert in London auf. Für ein Lied. Für Comfortably Numb , das es - You are only coming through in waves / Your lips move but I can't hear what you're saying – natürlich nur wegen Syd Barretts Wahn gibt. Weitere und schönere Wahnsinnsgeschichten für Fans in Michele Maris Mr. Pink Floyd .

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